So kam es zur Flutkatastrophe
 
Mehr als hundert Brüche in den Deichen!

Mehr als vierhundert Ertrunkene in Häusern,die sekundenschnell voll Wasser liefen und ihre Bewohner nicht mehr freigaben! Mehr als vierzigtausend obdachlose Männer,Frauen,Kinder,die nur sich und ihren Schlafanzug retteten!

Und ein Schaden an Wohnungen Bahnen,Straßen,Fabriken,
Versorgungseinrichtungen von mehreren Milliarden Mark-eine Summe mit der man jeden der rund 60 000 Einwohner Celles-vom Baby bis zum Greis-ein Einfamilienhaus bauen könnte!

Das ist die Bilanz jener schwarzen Stunden,als sich Sonne,Mond und Orkan zum Generalangriff auf die deutsche Nordseeküste zusammentaten.

Die beiden Himmelskörper standen dicht bei einander:

Springflut-Konstellation.

Die Schwerkaft des Mondes,die das Wasser himmelwärts zerrt und so die Flut verursacht,wurde von der Sonnen-Schwerkraft noch verstärkt.

Die Folge:
ein besonders hoher Wasserstand,die „Springflut“.Sie allein hätte noch nicht jene tödliche Gefahr bedeutet.Aber zur Springflut kam der furchtbarste Nordweststurm seit Menschengedenken.

Mit Windstärke zwölf trieb er das Meer vor sich hinein in die Deutsche Bucht.Und weiter in den Dollart.

In den Jadebusen, in die trichterförmigenMündungen von Elbe,Weser und einen Dutzend kleinerer Flüsse.Fünf Meter und siebenundachtzig Zentimeter über Normal stieg das Wasser.

“Eine Katastrophe wie seit zweihundert-Jahren nicht mehr“! sagten die Fachleute.Und „Eine Katastrophe,gegen die der Mensch auch im Jahrhundert der Technik machtlos ist.“Wirklich?Bundespräsident Heinrich Lübke kam der traurigen Wahrheit schon näher“Beim Küstenschutz,vor allem beim Deichbau,ist viel versäumt worden.“













Eine neue Schreckensnachricht traf gestern Mittag beim Katastropheneisatzstab ein:

Die Ratten kommen !

Mit dem Abfließen des Wassers fielen Tausende dieser
gefährlichen Nagetiere
in die Überschwemmungsgebiete ein- vor allen in Neuenfelde
und an den Viersielen.Sie hatten sich auf Bäume und in die höheren Stockwerke der
Häuser gerettet.

Jetzt machen sie sich in Scharen über die Tierkadaver her:


Seuchengefahr !

...uns so wäre sie verhindert worden



So sehen die Deiche an vielen hundert deutschen Küstenkilometern aus (oberer Querschnitt).

Das bedeutet:Sie sind hoffnungslos veraltet.

Seit neun Jahren ist diese Tatsache unseren Behörden bekannt - Seit der holländischen Flutkatastrophe von 1953.

Damals zeigte sich,das Deiche mit
Steiler Böschung viel schneller brechen als flache Ufer-Schutzbauten.

(unterer Querschnitt),

die dem Wasser weit weniger Angriffsfläche bieten.

Auch die Bundesrepublik zog aus dieserholländischen
Erkenntnis die Konsequenzen.

Ein „Küstenplan“ wurde aufgestellt,nach dem unsere“Seegrenze“ moderne Holland-Deiche erhalten sollte:

mit einer sechzig bis neunzig Meter breiten Sohle(bisher nur zwanzig Meter breit).

Entsprechend flach ist die Böschung der neuen Holland-Deiche.

Ihre Oberfläche ist mit Zementhöckern bewehrt,an denenauch der furchtbarste
Brecher seine Kraft verschleißt.Ein großartiger Plan.Aber als jetzt die Katastrophe über Norddeutschland hereinbrach,war er kaum zur Hälfte verwirklicht.So kam es wie es kommen musste.

Die „modernisierten“Deiche hielten der Flut stand.

Überall sonst aber brach die Flut durch –an mehr als hundert Stellen.Kein Zweifel.Hätten die Behörden den „Küstenplan“ zügiger ausgeführt,dann wäre die Sturmflut nicht zur schlimmsten Katastrophe seit Menschengedenken geworden....